Für uns Erwachsene stand fest: Wir wollten offen mit meiner Diagnose umgehen. Aber da waren noch unsere beiden Söhne, die bis jetzt nur mitbekommen hatten, dass Papa immer mal wieder zum Arzt musste und sie deshalb öfter mal bei Oma und Opa übernachten durften. Zwei heranwachsende Jungen, denen wir erklären mussten, dass ihr Vater krank ist – und nicht nur irgendeine Krankheit hat, sondern Krebs. Wie wird das bei ihnen ankommen? Wie würden sie reagieren, wenn sie hörten, dass ihr Papa an einer Krankheit leidet, die sie vielleicht mit dem Tod verbinden, weil sie miterlebt hatten, wie meine Mutter an Krebs gestorben war? Tausend Gedanken schwirrten durch meinen Kopf: Wie viel haben sie damals überhaupt mitbekommen? Verstehen sie, was Krebs wirklich bedeutet? Wie wird das auf ihr Unterbewusstsein wirken?
Nicht nur ich war mit diesen Fragen beschäftigt, auch meine Frau. Sie machte sich sehr viele Gedanken darüber, wie wir unseren Söhnen diese schwierige Nachricht vermitteln könnten. Ein Gespräch mit unserer Kinderärztin gab uns dann wertvolle Hinweise, die uns halfen, einen Plan zu entwickeln. Ein wichtiger Tipp war, kindgerechte Literatur mit vielen Bildern und einfachen Erklärungen über die Krankheit zu nutzen. Außerdem riet sie uns, den Kindern offen zu sagen, worum es sich handelt, aber nicht zu sehr ins Detail zu gehen – das sei die Aufgabe der Ärzte. Stattdessen sollten wir den Kindern Raum für Fragen lassen und auf ihre Bedürfnisse eingehen.
Dieser Ansatz schien uns sinnvoll. Wir wollten ehrlich sein, aber gleichzeitig darauf achten, dass wir die Informationen so vermitteln, dass sie die Jungs nicht überfordern. Auch mein Hausarzt bestätigte, dass dies ein guter Weg sei. Er bot uns zusätzlich an, professionelle Unterstützung von einem Therapeuten in Anspruch zu nehmen, was wir jedoch vorerst nicht in Anspruch nahmen. Meine Frau und ich waren uns einig, dass wir als Eltern diese Gespräche selbst führen wollten, weil wir unsere Kinder am besten kennen.
Nun stellte sich die Frage: Wann ist der richtige Moment, um mit den Jungs zu sprechen? Uns war klar, dass es nicht zwischen Tür und Angel passieren sollte, und auch nicht an einem Wochenende, das bereits mit vielen Terminen vollgepackt war. Es musste ein ruhiger Moment sein, in dem wir alle Zeit der Welt hatten. Nachdem wir uns darüber einig waren, besorgte meine Frau die empfohlenen Kinderbücher in einer kleinen, liebevollen Buchhandlung. Dabei hatte sie einen sehr emotionalen Moment, als sie die Bücher bestellte. Tränen flossen, weil die Realität, dass wir unseren Kindern bald von meiner Krankheit erzählen würden, sie überwältigte. Emotionen, die völlig in Ordnung sind und gezeigt werden dürfen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Gefühle oft unterdrückt werden, aber in solchen Momenten sollte man sich nicht scheuen, sie zuzulassen.
An dem Tag, als die Bücher abholbereit waren, kamen wir gerade von einem weiteren Termin in der Uniklinik, bei dem mir erneut Knochenmark entnommen wurde. Auf dem Rückweg holten wir die Bücher ab. Auch mich überwältigten die Emotionen, als ich die Bücher in der Hand hielt und spürte, wie real das alles nun wurde. Wir standen mitten in der Buchhandlung, umgeben von fremden Menschen, und es überkam uns beide. Wir weinten. Es war unangenehm, aber es war in Ordnung. Diese Gefühle mussten einfach raus.
Nun war alles bereit. Die Bücher waren da, der richtige Zeitpunkt war gefunden, und wir hatten unseren Plan. Das kommende Wochenende schien perfekt, also beschlossen wir, es gleich anzugehen. Am Samstag nach einem entspannten Familienfrühstück setzten wir uns mit den Jungs zusammen. Der Moment war gekommen.
Ich begann damit, ihnen zu erklären, warum ich so oft beim Arzt war und dass ich etwas Wichtiges mit ihnen teilen wollte. Wir folgten dem Rat der Ärztin und versuchten, es nicht als eine Belehrung, sondern als ein offenes Gespräch zu gestalten. Wir lasen aus den Büchern vor, zeigten die Bilder, beantworteten ihre Fragen und ließen den Kindern die Zeit, das alles zu verarbeiten. Es war ein emotionaler Moment, aber gleichzeitig auch ein schöner.
Unser ältester Sohn wurde sofort sehr ruhig, als hätte er begonnen, alles in sich aufzunehmen und zu verarbeiten. Er wollte gleich alle Bücher sehen und schien tief in Gedanken versunken zu sein. Unser jüngerer Sohn hingegen stellte direkt Fragen, die ihm auf der Seele brannten. „Was bedeutet das für dich, Papa?“ „Kannst du trotzdem noch mit uns spielen?“ Diese Fragen trafen mich, aber sie waren wichtig und zeigten, dass er die Situation verstand und verarbeiten wollte. Es tat gut, mit ihnen so offen sprechen zu können.
Dieser Moment, in dem wir als Familie zusammensaßen, war unglaublich wichtig. Es fühlte sich an, als hätten wir einen Meilenstein erreicht. Es wurde uns wieder einmal klar, wie stark unsere Familie ist, wie viel Vertrauen wir zueinander haben. Es war beruhigend zu wissen, dass wir keine Geheimnisse voreinander haben und dass wir auch die schwierigen Themen gemeinsam meistern können. In diesem Moment fühlte ich mich dankbar für meine Frau, für unsere wunderbaren Kinder und dafür, dass wir als Familie so eng miteinander verbunden sind.
Nach diesem Gespräch hatten wir ein wunderschönes Wochenende miteinander. Immer wieder kamen noch Fragen von den Jungs, die wir geduldig beantworteten. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass sie die Situation verstanden hatten und dass wir diesen Weg gemeinsam gehen würden – als Familie.
Der Weg wird nicht leicht, aber ich bin fest entschlossen, diesen Kampf aufzunehmen. Für meine Frau, für unsere Kinder, und auch für mich selbst. Diese Krankheit wird mich nicht besiegen, denn ich habe das, was man am meisten braucht: Eine starke Familie, die hinter mir steht. Gemeinsam schaffen wir das.
Come Back Stronger. Mein Name ist Dominik, und ich werde stärker zurückkommen – das verspreche ich!
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